Im Zentrum der Islamischen Zivilisation in Taschkent fand im November 2025 der internationale Kongress „Zentralasien und Aserbaidschan: gemeinsames geistiges und aufklärerisches Erbe – gemeinsame Zukunft“ statt. Hunderte Wissenschaftler aus Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan diskutierten wichtige humanitäre Themen, die mit Geschichte, Kultur, Kunst und natürlich auch mit Religion verbunden sind. Der Kongress fiel mit dem Besuch der Staatsoberhäupter der zentralasiatischen Republiken in Taschkent zusammen, was dem Forum, an dem auch die Präsidenten teilnahmen, eine gewisse politische Dimension verlieh. Fergana sprach mit einem der Teilnehmer, dem Akademiker der Nationalen Akademie der Wissenschaften Kasachstans, dem stellvertretenden Direktor des Instituts für Staatsgeschichte beim Wissenschaftskomitee des Ministeriums für Wissenschaft und Hochschulbildung der Republik, Professor Burkitbai Ajagan.
— Wie sind Ihre Eindrücke vom Zentrum der Islamischen Zivilisation?
— Einfach großartig, eine hervorragende Arbeit. Das Zentrum hat Taschkent zweifellos bereichert. Solche Zentren sollten überall entstehen. Natürlich kann sich zum Beispiel Kirgisistan solche Dimensionen kaum leisten, aber Kasachstan schon. Vielleicht wird man auch bei uns über die Schaffung ähnlicher Großprojekte nachdenken. Die Museumssammlung ist hervorragend zusammengestellt, und der Koran des Osman wirkt sehr harmonisch im Saal der Korane.
— Wie sehen Sie aus historischer Sicht die Gemeinsamkeit der Staaten Zentralasiens und Aserbaidschans?
— Als ich hierherkam, als jemand, der Geschichte schreibt, Lehrbücher sowohl zur Neuzeit als auch zum Mittelalter verfasst, wurde mir klar, dass es vielleicht das erste Mal in der Geschichte ist, dass sich die Führer dieser Staaten als souveräne Länder treffen, um eine ganze Reihe von Fragen zu besprechen. In der vorkommunistischen, „russischen“ Zeit war so etwas undenkbar, und auch in der Sowjetzeit gab es keine solchen Treffen – alles lief über Moskau, das den Prozess kontrollierte.
Und selbst in den Jahren der Unabhängigkeit – seit 1991 sind es nun 34 Jahre – hat es nie Begegnungen in einem solchen Format gegeben. Die Staaten waren mit vielen anderen Problemen beschäftigt: Grenzfragen, Wirtschaft und so weiter. Jetzt ist der Moment gekommen, in dem die Staatsoberhäupter, und breiter gesehen auch die Völker, der geistigen Dimension mehr Aufmerksamkeit schenken.
Warum gerade Zentralasien? Zum einen sind die Völker dieser Republiken durch Blutsbande verbunden – sowohl die türkischen als auch die iranischen, insbesondere die Tadschiken. Die Einbeziehung Aserbaidschans war kein Zufall: auch die Aserbaidschaner gehören zu den turksprachigen Völkern. Geografisch gehört Aserbaidschan allerdings nicht zu Zentralasien, sondern zum Kaukasus. Unverständlich ist nur, warum die Türkei fehlt – sie ist schließlich ebenfalls ein turksprachiges Land.
Die Themen der Konferenz sind wirklich interessant und werden in mehreren Richtungen behandelt: Museologie, Bibliothekswesen, wissenschaftliche Kontakte – insgesamt ein breites Spektrum humanitärer Fragen.
Gleichzeitig haben sich in den Ländern zahlreiche, teils ernste Probleme angesammelt. So gab es scharfe Grenzkonflikte zwischen den Republiken, insbesondere zwischen Kirgisistan und Tadschikistan. Auch in der Geschichtsauffassung bestehen Missverständnisse, da in der Sowjetzeit vor allem die Geschichte der Partei, nicht aber die Geschichte der Staaten erforscht wurde.
Deshalb waren Treffen auf so hohem Niveau äußerst notwendig – sie haben sich regelrecht aufgedrängt. Ich sehe hier sehr ernsthafte Wissenschaftler: Direktoren von Forschungsinstituten, führende Forscher, Autoren von Lehrbüchern. Außerdem sind hier auch Filmschaffende versammelt, die ihre Arbeiten vorstellen.
Im vergangenen Jahr fand bereits ein Forum der Historiker Zentralasiens statt. Das Institut für Staatsgeschichte war auf Anweisung des Außenministeriums einer der Organisatoren. Damals war der Kreis kleiner: drei bis vier Historiker pro Land, zwei Tage Diskussion, ein Memorandum – und dann reiste man wieder ab. Russland war indirekt beteiligt, ich selbst habe Materialien dorthin geschickt.
Das jetzige Treffen in Taschkent umfasst einen viel breiteren Kreis von Fragen und Teilnehmern. Und soweit ich weiß, nahmen auch die Staatsoberhäupter Zentralasiens am Kongress teil – was dem Forum einen besonders hohen Status verlieh.
— Es scheint, dass die Länder vor allem der Islam und der gemeinsame postsowjetische Hintergrund verbinden, zum Beispiel durch die russische Sprache, die hier noch immer weit verbreitet ist.
— Sie haben völlig recht: hier kommen vor allem postsowjetische Republiken zusammen. Dennoch ist Russland nicht dabei, obwohl es dort viele turksprachige Republiken gibt – Baschkortostan, Tatarstan und andere. Ich denke, der Schwerpunkt dieser Veranstaltung liegt klar auf Zentralasien. Die Länder der Region haben genug Themen zu besprechen: Wasserressourcen, wirtschaftliche Probleme, Inflation, Handelsbeziehungen, den Druck von China oder Russland. All das ist real und bleibt ein ständiger Faktor. Wir müssen uns von der Illusion verabschieden, dass Staaten keine Probleme haben. Probleme hat jeder, die Frage ist nur, ob man sie rechtzeitig und effektiv löst.
— Wie lässt sich diese Annäherung im Kontext der aktuellen weltpolitischen Lage bewerten?
— Die heutige Welt bewegt sich in zwei Richtungen. Einerseits wächst die Rolle der Großmächte. Seit dem 18. Jahrhundert bestimmten sogenannte Großmächte – Frankreich, Großbritannien, später Deutschland im 18.–19. Jahrhundert, im 20. Jahrhundert die Vereinigten Staaten – die Geschicke der Welt. Auch das Russische Reich wurde im 18. Jahrhundert zur Großmacht, und im 21. Jahrhundert gehört zweifellos auch China zu diesem Kreis – gemessen an militärischem Potenzial und industrieller Stärke.
Heute erleben wir Konflikte zwischen großen Mächten, was äußerst gefährlich ist. Diese Spannungen „ziehen“ auch Regionen wie Zentralasien mit hinein.
Andererseits versuchen kleine und mittlere Staaten in dieser turbulenten Situation, eigene Mechanismen und Plattformen zu schaffen, um Fragen zu diskutieren und gemeinsame Maßnahmen zu entwickeln. Dabei geht es in der Regel nicht um militärische, sondern um humanitäre und sozialökonomische Themen.
— Wie sehr kann man den Islam, Ihrer Meinung nach, als Klammer für die Teilnehmerstaaten betrachten?
— Auf dem Forum wurde davon gesprochen, dass die Islamophobie weltweit zunimmt, und es wurde betont, dass der Islam eine lichte Religion ist, die zu Frieden und Gutem aufruft. Doch dieses Thema dominierte keineswegs. Die islamische Komponente war eher ein Hintergrund – unter anderem deshalb, weil die Veranstaltung im Gebäude des Zentrums für Islamische Zivilisation stattfand, also in einer symbolisch entsprechenden Umgebung.
Der Hauptakzent liegt dennoch auf der geistig-bildenden Entwicklung, einschließlich der Jugend. In diesem Zusammenhang wird der Islam zweifellos als ein wichtiger Teil der spirituellen Identität der Region betrachtet – als eines der Elemente, die als Bindeglied und als Grundlage der Integration dienen können.
Der Islam ist eine der großen Weltreligionen, neben Judentum, Buddhismus und Christentum. Er hat eine riesige Gemeinschaft von Gläubigen auf der ganzen Welt – diesen Faktor zu ignorieren ist unmöglich. Er muss diskutiert werden. Islamophobie existiert tatsächlich; in der Sowjetzeit gab es strenge Verbote, und auch heute bekämpfen einige autoritäre Staaten aktiv Religionen in ihrem Inneren. Wenn man diese Probleme nicht diskutiert, können sie außer Kontrolle geraten.
Gleichzeitig gibt es innerhalb des Islam radikale Strömungen. Mit ihnen muss systematisch gearbeitet werden, denn die Radikalen sind Bürger dieser Länder. Es gibt Menschen, die unter den „Rausch“ der Religion geraten und zu Extremisten werden. Das ist kein Scherz. Ich habe auf dem Forum gesagt, dass radikaler Islam für Zentralasien „nicht angemessen“ ist.
Doch man muss verstehen: Hier versammelte sich vor allem die kreative Intelligenz – Wissenschaftler, Museumsfachleute, Filmschaffende. Für sie wird Religion in erster Linie indirekt betrachtet – als einer der Schlüssel zur Integration, zur Vereinigung, zur geistigen Entwicklung der Jugend. Damit junge Menschen sich in den „richtigen“ Richtungen entwickeln, kann und soll der Islam eine der Grundlagen sein – aber nicht die einzige und nicht die dominierende.
— Sie haben über Großmächte gesprochen. Die Europäische Union, trotz interner Widersprüche, wird in gewissem Sinne auch als ein einheitlicher Akteur wahrgenommen. Kann man aus historischer Sicht von einer möglichen Integration der zentralasiatischen Staaten sprechen – etwas wie eine wirtschaftliche Union nach EU-Vorbild, mit einer gemeinsamen wirtschaftlichen Plattform?
— Die Europäische Union ist keine Großmacht, sondern ein Zusammenschluss – in erster Linie ein wirtschaftlicher. Wären die Republiken Zentralasiens in relativer Isolation, könnte man über ein potenziell funktionierendes Integrationsbündnis sprechen.
Doch der verletzlichste Punkt Zentralasiens ist China. Der wirtschaftliche Einfluss Chinas ist immens – sowohl auf die Länder der Region als auch auf Russland. Chinesische Waren verbreiten sich buchstäblich über den ganzen Globus: sie sind in den USA, in Europa und natürlich in Zentralasien.
Wenn wir also über wirtschaftliche Beziehungen sprechen, ist es korrekter, nicht über eine einheitliche zentralasiatische Wirtschaft zu reden, sondern über konkrete lokale Aspekte: Verteilung der Wasserressourcen, Energieressourcen, einschließlich Erdölprodukte, Fragen der Transportkorridore und so weiter. Solche lokalen Dinge können durchaus diskutiert und abgestimmt werden. Aber in einem breiteren Kontext glaube ich nicht, dass ein Zusammenschluss der zentralasiatischen Republiken vor dem Hintergrund Chinas voll handlungsfähig wäre.
— China würde eine vollständige Union einfach nicht zulassen?
— Nicht, weil China das nicht wollen würde, sondern weil China zu viel produziert und über enorme wirtschaftliche Macht verfügt. Seine Waren, sein Kapital dominieren objektiv.
— Das heißt, von einer gemeinsamen wirtschaftlichen Plattform Zentralasiens oder einer gemeinsamen Währung wie einem hypothetischen „Altyn“ zu sprechen, ist unrealistisch?
— Absolut unrealistisch.
— Und die von der Türkei vorgeschlagene Idee des „Turan“?
— Dasselbe. Das ist größtenteils eine mythische Konstruktion, eine Konvention. Sie kann als etwas Symbolisches existieren – als kulturell-psychologische Verbindung, als Rhetorik.
— Wie der „Russkij mir“?
— Das sind völlig unterschiedliche Dinge, ich würde sie nicht direkt vergleichen. Und wichtig ist: die zentralasiatischen Staaten haben nicht vor, unter das „Protektorat“ der Türkei zu treten. Niemand hier betrachtet die Türkei als „großen Bruder“.
Es gibt den Einfluss der Weltmächte – Europas, der USA, Chinas – in Form jener Technologien und Produkte, die weder Zentralasien noch die Türkei selbst herstellen. Die Spielregeln werden von ihnen vorgegeben. China, Malaysia, Taiwan – das sind sehr große Akteure. In die Wirtschaft Kasachstans investiert der EU-Raum am stärksten über die Niederlande – ein kleines, aber sehr aktives Land.
Man muss realistisch bleiben. In bestimmten Bereichen können und sollten die zentralasiatischen Republiken zusammenarbeiten. Aber ein globaler Akteur kann die Region, meines Erachtens, nicht werden. Daran habe ich keinerlei Zweifel.
— Aber kann die Region die Rolle eines Drehkreuzes beanspruchen, wenn nicht gar die eines Schiedsrichters?
— Zentralasien ist zweifellos eine interessante Region mit bedeutenden Ressourcen und einer Bevölkerung von über 60 Millionen Menschen. Doch wenn man den Blick weitet: Direkt daneben steht China mit 1,5 Milliarden Einwohnern und einer der stärksten Volkswirtschaften der Welt, die buchstäblich alles produziert – von der Nadel bis zur Rakete. Seine Waren überschwemmen die Märkte Zentralasiens und bleiben preisgünstig.
Was auch immer in den Industrien der Region geschieht, China in dieser Hinsicht zu übertreffen, ist praktisch unmöglich. China wird immer billiger und schneller produzieren. Aus rein wirtschaftlicher Sicht bin ich daher eher pessimistisch.
Realistisch bleibt der Fokus auf dem Export von Ressourcen – Öl, Gas. Hier gibt es tatsächlich Perspektiven. Außerdem sollte der Tourismus entwickelt werden.
— Und das Humankapital? Ist das nicht genau das Thema des Forums?
— Natürlich, das Humankapital ist ein entscheidender Faktor. Das betrifft Migration, Bildung und kulturellen Austausch. Aber im globalen Kontext, wiederhole ich, treffen die großen Mächte die wichtigsten Entscheidungen. Sie mischen sich aktiv in die Angelegenheiten regionaler Zusammenschlüsse ein – und das betrifft nicht nur die EU oder Länder Südamerikas. Wir sehen ihre Einflüsse im Nahen Osten, in Afrika – also in Regionen, die geografisch weit entfernt sind.
Zentralasien befindet sich ebenfalls in ihrem Blickfeld. Sie verfügen über Ressourcen – finanzielle, technologische, militärische – und können sich ein solches Engagement leisten.
— Man spricht heute viel über die Bewahrung der Identität und des Erbes Zentralasiens. Wäre es nicht einfacher, das gemeinsam zu tun – in konsolidierter Form?
— Solche Überlegungen enthalten viel Romantik. In der modernen Welt gibt es keine vollständige Isolation, die ein „geschlossenes“ Bündnis ermöglichen würde. Früher oder später müssen kleine Länder mit einflussreichen Akteuren interagieren – sei es über das Internet, soziale Netzwerke oder Migrationsströme.
Allein außerhalb Usbekistans leben mehrere Millionen Usbeken. Sich vollständig vom äußeren Einfluss abzuschotten, ist unmöglich. Dennoch ist es wichtig und notwendig, die Beziehungen zwischen den Ländern der Region zu stärken. Es gibt konkrete drängende Probleme, die niemand außer den zentralasiatischen Staaten selbst lösen wird: Konflikte über Wasserressourcen – auch mit Afghanistan –, die Rettung des Aralsees, grenzüberschreitende Ökologie, Kultur, das historische Erbe.
Frankreich oder die USA interessieren sich dafür nicht besonders. Deshalb liegt die Verantwortung für die Lösung dieser regionalen Probleme – so stark die Einflüsse von außen auch sein mögen – in jedem Fall bei den Staaten Zentralasiens selbst.
ℹ️ Der internationale Kongress „Zentralasien und Aserbaidschan: gemeinsames geistiges und aufklärerisches Erbe – gemeinsame Zukunft“ fand vom 13. bis 15. November auf Initiative des Präsidenten Usbekistans, Shavkat Mirziyoyev, statt. Das Zentrum für Islamische Zivilisation organisierte die Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Außenministerium, der Akademie der Wissenschaften Usbekistans, dem Internationalen Institut für Zentralasien und der World Society for the Study, Preservation and Popularization of the Cultural Heritage of Uzbekistan (WOSCU).
ℹ️ Das Zentrum für Islamische Zivilisation entsteht neben dem Hast-Imam-Komplex. Das Gebäude des Zentrums wurde im Stil antiker Baudenkmäler errichtet – mit vier Portalen von je 34 Metern Höhe und einer zentralen Kuppel von 65 Metern. Vorgesehen sind hier ein Koran-Saal, ein Konferenzsaal mit 460 Plätzen sowie ein Museum, dessen Ausstellungen die gesamte Geschichte Usbekistans – von vorislamischer Zeit bis in die Gegenwart – umfassen. Das Zentrum soll zu einer Plattform für die Erforschung des Erbes der Vorfahren und dessen zeitgemäße Interpretation werden, in Zusammenarbeit mit der Islamischen Internationalen Akademie Usbekistans und einschlägigen wissenschaftlich-pädagogischen Zentren aus aller Welt.
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